Wir sind mit unserem Projekt im 20. Jahr!
Genaugenommen im 21. Denn anlässlich einer Hausmesse der Firma Angelgeräte Kapune in Gronau (Leine) im Jahre 1999, habe ich Hartwig Hahn, den „Lachsvater“ aus Schleswig Holstein kennengelernt. Er meinte im Laufe eines Gesprächs, dass die Leine einen guten Eindruck mache. Im Vergleich zur Stör wäre sie bestimmt auch für die Ansiedlung von Lachs und Meerforelle geeignet.
Das hat in meinem Kopf Visionen ausgelöst.
Teil 1: Die Leine von 1860 bis 1975
Mir war bekannt, dass die Leine bis 1900 einer der lachsreichsten Flüsse in Niedersachsen gewesen ist. Der Lachs war ein sog. Brotfisch. D.h. er kam in so großen Mengen vor, dass man sich keine Gedanken um seinen Bestand machen musste.
Solange in der Leine Bauholz aus dem Harz und dem Solling nach Hannover und Bremen geflosst wurde, war die Durchgängigkeit der Leine gewährleistet. Denn nur eine durchgängige Leine machte die Flößerei möglich. Begleitmannschaften, heute würde man sie „Schlägertrupp“ nennen, waren mit den Flößern unterwegs und sorgten dafür, dass die Betreiber der Mühlen, damals alles Getreide und Ölmühlen, ihre Schotten geöffnet hatten. Die Flößerei in der Leine ist eine eigene interessante Geschichte!
Um die Jahrhundertwende kam dann die Eisenbahn auch ins Leinetal, die den umständlichen Holztransport auf dem Wasser unnötig machte. Die Obacht über die Durchgängigkeit der Querverbauungen war nicht mehr nötig und die Betreiber der Mühlen nutzten dies um die Wasserkraft der Leine in höherem Maße zu nutzen. Mühlen wurden größer, Wehre erhöht , neue Mühlen eingerichtet. Um die Durchgängigkeit der Leine hat sich damals niemand gekümmert. Die Wanderwege waren versperrt!
Als wir mit den Vorsitzenden von Fischereivereinen, die die Leine bewirtschafteten, über ein Wiederansiedlungsprojekt von Lachs und Meerforelle berieten, haben wir uns gefragt, wie es dazu kommen konnte, dass der Lachs innerhalb von 20 bis 30 Jahren in der Leine komplett ausgestorben ist. Wir haben vermutet, dass sich damals niemand vorstellen konnte, dass es den Brotfisch Lachs nicht mehr geben könnte. Dazu kam natürlich auch, dass sich die Umweltbedingungen in allen Gewässern verschlechterten. Die Menschen zogen vom Land in die größeren Städte und die lagen meistens an den Ufern von Fließgewässern, wie der Leine. Es fiel mehr Abwasser an, dass ungeklärt in die Leine abgeleitet wurde. Industrie siedelte sich gern in der Nähe der Leine an, z.B Papierfabriken oder Zuckerfabriken, die ihr Produktionsabwasser ebenfalls fast ungeklärt der Leine zuführten.
In der Chronik des örtlichen Fischereiverein Gronau, der sich 1928 gegründet hat, ziehen sich Fischsterben wegen Gewässerverunreinigungen, wie ein roter Faden durch die Vereinsgeschichte.
Ich bin in Gronau groß geworden und habe seit 1950 die Entwicklung der Leine miterlebt. Anfangs konnten wir unter den Wasserfällen Gründlinge und andere Weißfische mit dem Kartoffelkorb fangen. Dann wurden die Schaumberge unterhalb der Wehre immer höher, mal weiß, mal braun, mal blau. Das sah zwar lustig aus, war es aber beileibe nicht. Die Leine entwickelte sich zu einer Kloake. Der Gewässergrund und die Ufer waren von Cellulose verklebt. Wer mit einem Boot auf der Leine unterwegs war, hat des Öfteren erleben müssen, dass im Sommer die Leine auf einmal anfing zu sprudeln, als wenn ein U-Boot aufsteigt. Dann musste man sehen so viel Abstand wie möglich zu bekommen. Dann kam wieder einmal eine mehrere Quadratmeter große Celluloseplatte hoch, unter der sich am Gewässergrund Methangas gebildet hatte, so dass der Gestank die ganze Umgebung verseuchte. Angeln war verboten, bzw. es durfte kein Leinefisch verzehrt werden. Wer angeln und Fische fangen wollte, musste an die Weser fahren. Aber auch die war durch die Kaliabwässer versaut und hatte einen höheren Salzgehalt als die Ostsee.
Um 1968 war das Maß voll. Die Menschen, die Angler vorneweg, meldeten sich zu Wort und forderten von den Politikern mehr Rücksicht auf die Umwelt im allgemeinen und eine gesunde Leine im besonderen. Die ungeklärten Abwässer der Kommunen und der Industrie waren jedem sichtbar und stanken dem Bürger im wahrsten Sinne des Wortes. Es waren die Angler, die mit Transparenten vor den Werkstoren der Papierfabrik in Alfeld und dem Landtag in Hannover demonstriert haben. Aber es gab ein allgemein sensibleres Umweltverständnis, dem sich niemand mehr verschließen konnte. So wurden gesetzliche Umweltauflagen festgelegt und um zu motivieren, wurden erhebliche Fördermittel bereitgestellt, wenn ein Einleiter seine bisherige unzureichende Dreikammkläranlage stillgelegt und eine biologische Kläranlage gebaut hat. Das geschah in unserem Bereich der Leine innerhalb weniger Jahre. Die Städte wie Northeim, Einbeck, Alfeld, Gronau und Hannover leiteten jetzt biologisch geklärtes Abwasser in die Leine. Ich kann mich erinnern, dass der Bürgermeister der Stadt Gronau bei der Einweihung der Kläranlage erklärte, dass die Wasserwerte der Einleitung aus der biologischen Kläranlage besser, sprich sauberer waren, als die Werte der Leine selbst. Nun, das mag gestimmt haben. Seine Zusage, Wasser aus der Kläranlage zu trinken, hat er aber nicht eingehalten. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass das Wasser in dem Glas, dass ihm gereicht wurde, aus der Söse kam. Sei es wie es gewesen ist! Die Leine wurde sauberer und sie zeigte eindrucksvoll, welche gewaltige Selbstreinigungskraft sie besaß. 1975 waren wieder Wasserpflanzen zu sehen. Die Ufer wurden bei Hochwassern von der Cellulose freigespült. Die Wassergüte entwickelte sich von 6 nach 3 und später sogar auf 1,5. Es machte wieder Sinn, die Leine mit Fischen zu besetzen. Unterhalb der Wehre konnten wieder Forellen leben. Es machte wieder Spaß zu sehen, wie sich die Leine wieder zu einem Gewässer mit einem artenreichen Bestand an Fischen und anderen Wasserlebewesen entwickelt. Aber es gab auf der Strecke von Northeim bis nach Hannover 10 Wasserkraftanlagen, inzwischen alles Stromerzeuger. Von Durchgängigkeit konnte nach wie vor keine Rede sein.
Was dann ab 1999 geschah, war die folgerichtige Entscheidung der Angler, den Lachs und die Meerforelle wieder in der Leine und ihren Nebengewässern anzusiedeln. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich demnächst fortsetzen werde!
Günter Ohnesorge